Donnerstag

Bernard Shaw an Molly Tomkins

Meine liebe Molly!

Ich bin ein Vecchio (ein Greis), fast achtundachtzigeinhalb. Ich bin außerdem Witwer. Charlotte starb am 12. September 1943. Ich war nicht im mindesten betrübt, denn sie war nur ein Jahr jünger als ich, und es war Zeit für sie, abzutreten; doch ich war sehr tief berührt Ihre vierjährige Krankheit verhieß ein furchtbares Ende, aber ein Wunder geschah. Sie wurde plötzlich jünger, als ich sie je gesehen hatte und unglaublich schön und war dreißig Stunden geradezu ekstatisch glücklich, ehe sie zu atmen aufhörte. Es war eine Erleichterung.

Die Beileidsbriefe, die ich erhielt, waren alle falsch. Meine Gesundheit hat sich so sehr gebessert dass mir inzwischen klar ist, sie hätte uns alle ins Grab gebracht wenn sie noch ein Jahr länger gelebt hätte - obgleich wir uns der Belastung nicht bewusst waren, solange wir unter ihr litten.

Ich habe seither mehrere Heiratsanträge erhalten, denn ich bin jetzt eine ziemlich gute Partie, da ich höchstens noch ein paar Jahre zu leben habe (sehr wahrscheinlich nur ein paar Tage) und meine Witwe gut versorgt sein würde, obgleich die schreckliche Kriegsbesteuerung und die Erbschaftssteuer für Charlottes Vermögen mich viel ärmer gemacht haben, als die Leute glauben...

Schreiben Sie mir gelegentlich eine Zeile. Wir können jetzt ungezwungener schreiben, da Charlotte ja unsere Briefe nicht mehr lesen kann. Ich habe es nie über mich gebracht eine Zeile zu schreiben, die ihr hätte weh tun können, doch jetzt kann ich alles schreiben...

Gute Nacht! Ich kann jetzt so spät zu Bett gehen, wie ich will.

Anfang 1946

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